Teuflische Jahre - PARDON

SATIRE MIT FOLGEN
 
Längst ist PARDON, die vor 60 Jahren gegründete, „deutsche satirische Monatsschrift”, Legende. Die Ausstellung zeigte, warum das Frankfurter Blatt so erfolgreich war und innerhalb kürzester Zeit mit über 300.000 verkauften Exemplaren zur größten Satirezeitschrift Europas aufstieg. Gleichzeitig wurde deutlich, wie prägnant sich im Heft die bewegte Geschichte der Bundesrepublik in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts spiegelte.
 
PARDONs Markenzeichen von Anfang an: Ein Teufel, der scheinbar freundlich seine Melone zum Gruß hebt, um dabei jedoch diebisch lachend seine Hörner zu offenbaren. Schnell entwickelte sich PARDON zum Zeitgeist-Magazin des Aufbegehrens der Jugend gegen den Muff der Adenauerzeit und seiner Autoritäten. Es eckte immer wieder an, wurde mit Prozessen überzogen, legte sich mit den meist klerikalen Sittenwächtern an und agitierte gegen die weitverbreitete Prüderie und bürgerliche Doppelmoral der frühen Bundesrepublik. Dies führte immer wieder zu Verbotsanträgen, Zensurversuchen und Verkaufsbeschränkungen.

PARDON bezog Stellung, ergriff Partei. Das Konzept, Humor, Komik und Satire mit engagierten Texten und Reportagen zusammenzubringen, kam an. Karikaturen standen neben bissigen Polemiken, Fotomontagen neben Buchbesprechungen, ernsthafte Reportagen neben leichtfüßigen Parodien. Alles bunt gemischt, jedoch geeint in der kritischen Betrachtung der bestehenden politischen Verhältnisse.
 
Schnell entwickelte sich das Magazin zur ersten Adresse für junge Zeichner und aufstrebende Schreiber, war Spielweise und Karrieresprungbrett und erwies sich in seiner 20jährigen Geschichte als stilprägend für Karikaturisten und  Journalisten, dessen Einfluss bis heute nachwirkt.

Die große Jubiläumsausstellung „Teuflische Jahre” dokumentierte auf den vier Ebenen des Museums in Originalzeichnungen, Fotos und Gerichtsakten den Werdegang des Magazins. Der Versuch des PARDON-Verlegers Hans A. Nikel, in den späten 70er Jahren die Zeitschrift New-Age-Themen zu öffnen, beschleunigte den personellen Aderlass. Wichtige Mitarbeiter setzten sich ab – ein Teil firmierte fortan selbstironisch als „Neue Frankfurter Schule” (NFS) – und gründeten 1979 „Titanic”. Mit der Ausstellung schloss sich eine Lücke, und das kreative Sammelbecken PARDON erhielt endlich den Platz, den es historisch verdient.
DIE KURATOREN

Gerhard Kromschröder:
Geboren 1941 in Frankfurt am Main, studierte dort Soziologie und  Kunstgeschichte, war Lokalredakteur im Emsland und arbeitete von 1967 bis 1979 bei PARDON, zuletzt als stellvertretender chefredakteur. Danach Reporter beim „stern” in Hamburg, wo er sich durch Undercover-Recherchen in der Neonazi-Szene und als Türke einen Namen machte; lebte als Nahost-Korrespondent des Blattes in Kairo und war Kriegsreporter im bombardierten Bagdad. Er unterrichtete Journalismus an der Universität Wien und veröffentlichte zahlreiche Bücher und Fotobände.

Till Kaposty-Bliss:
Geboren 1970 in Köln, Grafiker, Zeitschriften-Sammler, seit 2014 Verleger von „Das Magazin” und seit 2020 des Verlages Bärmeier & Nikel, beide in Berlin; beschäftigt sich seit seinen Jugendtagen mit PARDON und dessen Kosmos. Was 1982 als Sperrmüllfund in der Kölner Vorstadt begann, mündet 40 Jahre später in der großen PARDON-Werkschau „Teuflische Jahre”. In seiner Freizeit rettet er ab und an historische Laden-Schriftzüge vor der Verschrottung und ist Vorstandsmitglied des „Buchstabenmuseums” im Berliner Hansaviertel.

DAS BUCH
 
Das große Buch zur Ausstellung:
Alle PARDON-Titelseiten aus 20 Jahren sowie Faksimiles ausgewählter Heftbeiträge. Mit Erinnerungen von Alice Schwarzer, Günter Walraff, Elsemarie Maletzke, Herbert Feuerstein, Gerhard Seyfried, Henning Venske, Robert Kuhn, Peter Knorr, Paul Taussig, Hans A. Nikel und vielen anderen.
 
FavoritenPresse 2022, 208 Seiten, über 300 Abbildungen, Softcover mit Klappen, Großformat 21 x 30 cm, 25 Euro, ISBN 978-3-96849-068-7, www.favoritenpresse.de

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